Es gibt im Walgau viele Burgen, die heute nur noch Ruinen sind. Aber es gibt in Bürs den einzigartigen Fall, dass eine Festung völlig in Vergessenheit geraten ist. Obwohl Dr. Manfred Tschaikner mittlerweile den Standort der Balme Hohlenegg, später Schloss Rosenberg ausfindig gemacht hat, konnten keinerlei Überreste mehr gefunden werden. Die Burg ist spurlos verschwunden.
Dabei dominierte die Balme Hohlenegg jahrhundertelang das Ortsbild von Bürs. Als „Balme“ bezeichnet man eine Höhlenburg. Es wird eine Grotte durch eine Mauer verschlossen und gesichert. Die Bürser Balme befand sich im niedrigeren Teil des Stelleschrofens. Das Mauerwerk erhob sich vom Fuße des Felsens bis auf seine Oberkannte und breitete sich auch über die darüber liegenden Wiesen aus, der sogenannten „Schass“. Der Name kommt aus dem Rätoromanischen "sur sasch" und bedeutet auf dem Stein oder Fels. Vermutlich wurde die Balme im 13. Jahrhundert von den Werdenbergern gegründet. Im Jahre 1360 wird sie in einer Urkunde als balme zu Búrs, genemmet Holnegge bezeichnet und war im Besitz der Linie Werdenberg-Sargans und nicht wie die Feste Bürs im Besitz Linie Werdenberg-Heiligenberg. Der Standort der Balme wird in diesem Schriftstück schon ziemlich genau erwähnt. So heißt es darin, dass ein „infang (Anfang) von der balme unz (unten) an die strasse und unz an den brunnen und die ebeni ob der balme uf dem staine“ dazu gehörten. Als „Steine“ wurden die beiden Schrofen am Ausgang der Bürser Schlucht bezeichnet, der Gitzischrofen und der Stelleschrofen. Aus dem romanischen „Sasch“ wurde die deutsche Bezeichnung „Stein“ und schließlich der Schrofen. Die Burg wurde also wie oben erwähnt vom Talboden über den ausgehöhlten Stelleschrofen gebaut und umfasste auch die Ebene ober der Balme auf dem Schrofen.
Aus der Balme wird eine Burg
Zwischen 1360 und 1470 wurde die Balme Hohlenegg in „Burg“ oder „Schloss“ Rosenberg umbenannt. Zu jener Zeit war es offensichtlich üblich, sich noblere, aristokratischere Namen für die Burgen zu wählen und so wurde zu Beginn des 15. Jahrhunderts auch die Burg Nüziders in Burg Sonnenberg umbenannt. Zu beachten ist aber vor allem der Namenswechsel von Balme zu Burg oder Schloss. In den Jahrzehnten um 1400 muss die Felsenburg im „hohlen Eck“ zerstört worden sein. Es handelte sich wahrscheinlich um ein geologisches Ereignis. Das Bürser Konglomerat, aus dem der Stelleschrofen besteht, ist Flussschotter des Alvierbaches, der sich in einer Zwischeneiszeit mit Kalk als Bindemittel verfestigt hat. Meiner Meinung nach rührt auch der Name dieses Schrofens daher, dass er sich aus lauter kleinen Steinen, im Dialekt Stäle oder Stele“ zusammensetzt. Wenn dieser Schotter weniger gebunden ist, ist der Fels instabil. Am Eingang der Bürser Schlucht am gegenüberliegenden Ufer des Alvierbaches sind so die „Ofenlöcher“ entstanden. Diese großen Hohlräume bestanden ursprünglich aus lockerem Material, das nach und nach verwitterte und durch Regen ausgewaschen wurde.
Nachdem die Balme zerstört war, entstand wahrscheinlich oberhalb des Schrofens die Burg mit dem schönen neuen Namen Rosenberg. Den genauen Standort der Balme und Burg konnte Dr. Manfred Tschaikner schließlich durch ein bislang unbeachtetes Schriftstück aus dem Jahre 1608 bestimmen. Darin wurden die Grenzen des sogenannten Burggutes, das sich in landesfürstlichem Besitz befand im Rahmen eines Lokalaugenscheins durch Marksteinsetzungen neu festgelegt. Rosenberg wurde in dieser Urkunde als „alt purgstall“ bezeichnet, womit eine Ruine gemeint ist. Die Burg musste mittlerweile schon in einem sehr schlechten Zustand gewesen sein.
Ein Schreibfehler mit Folgen
Gemäß einem im Jahre 1618 angefertigtem Urbar (Verzeichnis über Besitzrechte) der Herrschaften Bludenz und Sonnenberg hatte der Landesfürst in Bürs nur das Schloss Rosenberg in seinem Besitz. In diesem Urbar finden sich Zitate aus der Urkunde von 1360, die den Anspruch auf die Ruine bestätigen. Da in dem alten Schriftstück die neue Bezeichnung „Rosenberg“ noch nicht aufscheint, wurde das Bürser Amtsgut bei allen Erwähnungen im Buch immer „Hohlenegg“ genannt. Als der Schreiber jedoch nur ein einziges Mal den neuen Namen erwähnt, muss ihm ein Fehler passiert sein und aus „Rosenberg“ wurde „Rosenegg. Diese falsche Schreibweise wurde aber das ganze 17. Jahrhundert hindurch nie mehr verwendet. Erst im 18. Jahrhundert beginnt die „Geschichte“ Roseneggs mit weiteren seltsamen Verwirrungen.
Christian Lorünser, Mitglied des Sonnenberger Gerichts, schmückt sich mit Rosen
Im Jahre 1732, erwarb der Pfandherr der Herrschaften Bludenz und Sonnenberg, Franz Andreas von Sternbach vom Bürser Christian Lorünser, die Mühle mit Säge, Hanfreibe und Gerstenstampfe. Der Bürser erhielt dafür etwas über 3.200 Gulden sowie zwei Amtswiesen. Eine davon umfasste das "ruinierte Schlößle sambt allem gemeur, auch gestäud und gereuth", womit die Ruine Rosenberg gemeint war. Möglicherweise tauschte Christian Lorünser das unfruchtbare Schlossgelände auf der Schass aus ideellen Gründen. Obwohl er schon über ein Wappen verfügte, beantragte er ein neues. Den oberen Teil des Emblems übernahm er von den adeligen alten Herren von Bürs, die drei Ringe in ihrem Schild führten. Im unteren Teil aber ist so wie im Sonnenberger Wappen ein Dreiberg zu sehen. Anstatt der darüberstehenden Sonne wächst aus dem mittleren Berg eine Rose mit zwei Blätterzweigen links und rechts. Auf einem Portrait ist Christian Lorünser stolz mit einer Rose in der Hand zu sehen.
Amtsschreiber Franz Josef Gilm wird geadelt und nennt sich „von Rosenegg“
Der Amtsschreiber der Sternbacher, Franz Josef Gilm, führte die Kaufverhandlungen zum Kauf der Bürser Mühle und der Veräußerung der Schlössle-Wiese. 1739 wurde er Untervogt der Herrschaften Bludenz und Sonnenberg und im selben Jahr wurde er von Kaiser Karl VI. in den Adelsstand erhoben. Als neues Adelsprädikat wählte er die irrtümliche Bezeichnung Rosenegg. Da dieser Name sonst gänzlich unbekannt war und keine andere Sippe sich so bezeichnete, konnte er sich ohne weiteres Franz Josef Gilm von Rosenegg nennen.
Der Name der Rose
Mit den letzten sichtbaren Überresten verlor sich auch die Erinnerung der Bürser an ihre einst stolze Burg. Sogar der Name des Schlosses zog sich zurück in den Wald. Noch heute heißt ein Waldstück Richtung Guschakopf „Rosenberg“. Die Burg ist nur noch ein Name, oder wie es im Schlusssatz von Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ heißt: „Die Rose von einst steht nur noch als Name, uns bleiben nur nackte Namen“.
Die Verwechslung
Jetzt kommt ein Nachfahre von Christian Lorünser ins Spiel. Der Sonnenberger Landamann Johann Christian Lorünser belegte 1788 seine Eigentumsrechte an der Ruine beim Innerfeld (das heutige Rosenegg) samt dazugehörigem kleinen Wald durch den Kaufvertrag des Jahres 1732. Die Frage ist: hatte der Landamann nicht mehr den tatsächlichen Vertragsinhalt gekannt oder durch bewusste Täuschung erweitert. Jedenfalls kam ihm die Verwechslung der beiden Bürser Schlösser sehr zu gute, da er in den Besitz von ertragreicherem Grund kam. Das Ende des 18. Jahrhunderts der Name „Rosenegg“ auf die Ruine beim Innerfeld übergehen konnte, ist nur durch das lange Schattendasein der früher unter dem Namen „Feste Bürs“ bekannten Ruine erklärbar. Was mit dem ruinösem Gemäuer des alten Turmes weiter geschah, ist im Beitrag über die Burg Rosenegg zu erfahren. Hiermit schließt sich der Rosenkranz an Irrtümern und Verwechslungen. Die verwechselte Burg mit dem falschen Namen Rosenegg hat heute bei den Bürsern einen hohen Stellenwert. Der romantischere Name „Rosenegg“ gegenüber „Feste Bürs“ harmoniert auch besser mit der Sage vom Burgfräulein. Zudem gibt es in Bürs eine Rosenegg Apotheke und ein Gasthof Rosenegg.
Quellen:
Manfred Tschaikner: Bludenzer Geschichtsblätter Heft 90 + 91 (2009)
Alois Niederstätter: Die Vorarlberger Burgen Universitätsverlag Wagner (2017)
Umberto Eco: „Der Name der Rose“ original „Il nome della rosa“ (1980 Mailand)
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