Am 30. Juni 1872 fuhr der erste Zug, gezogen von der Dampflokomotive Bregenz, durch den Walgau. „Eine mächtige Pulsader, feurig und siedewallend, zieht durch das Land, es ist die Verkehrsader der Eisenbahn, welche in alle Aeste und Zweige des Verkehrs in Berg und Thal ausströmt, und sich wieder zurückergießt.“ So leitete der k.k. Notar Dr. v. Gilm seine pathetische Rede im Gasthaus zum Weißen Kreuz beim Bludenzer Bahnhof ein.
Der Pathos war durchaus gerechtfertigt, fuhr doch zum ersten Mal ein Zug von Bregenz nach Bludenz. Eine Stunde und fünf Minuten dauerte die Fahrt durch den Walgau von Feldkirch bis zum Bludenzer Bahnhof. Dr. Gilm bedauerte in seiner Rede aber auch, dass hier der Endpunkt der Vorarlberger Bahn ist, da der Arlberg, das Weiterkommen verhindert: „Soll das so bleiben? Nein! Die Scheidewand muss fallen, der Arlberg muss durchbrochen und durchbohrt werden, wir müssen uns vereinen mit den Brüdern in Tirol, mit den Ländern Österreichs, mit dem Centralpunkte des Landes, und darüber mit den weitgestreckten Ländern des ungarischen Reiches, - das ist die Zukunft dieses Landes!“ Schließlich beendete er seine Rede mit einem Lob auf den Kaiser: „Im Namen des Landes am heutigen festlichen Freudentage bringe ich dem höchsten Geber Sr. Majestät unserm geliebten Kaiser den ersten Festes-Toast.
Se. Majestät der Kaiser Franz Josef I. Er lebe hoch! hoch! hoch!“
Doch nicht nur Bludenz war Endstation des nur dreimal täglich verkehrenden Zuges, sondern auch Lochau. Lindau war nur mit dem Schiff vom Bregenzer Hafen aus erreichbar. Von der Insel fuhr ein Schnellzug über Augsburg, München nach Wien, dann weiter nach Leipzig, Dresden, Berlin bis nach Frankfurt. Erst am 14. Oktober 1872 konnte man Lindau mit der Bahn erreichen. Bludenz hingegen blieb die nächsten zwölf Jahre Endbahnhof.
Im Jahre 1884 wurde nach nur vierjähriger Bauzeit auch die Arlbergbahn eröffnet. Die Herausforderungen waren enorm und allein auf Vorarlberger Seite verloren mehr als 500 Arbeiter ihr Leben, 92 davon im über 10 Kilometer langen Arlbergtunnel.
Der Feldkircher Industrielle und Politiker Carl Ganahl war der regionale Eisenbahnpionier. Gemeinsam mit anderen Textilfabrikanten erhielt er eine Konzession für eine private Eisenbahngesellschaft, die über Aktien finanziert und vom Salzburger Eisenbahnunternehmer Klein gebaut wurde. 1869 kam aus Wien die telegrafische Nachricht, dass Ganahl die Konzession erwirkt hatte. Im ganzen Land brach eine Welle der Begeisterung aus. Die Feldkircher wurden durch Böllerschüsse aus ihren Häusern gelockt, Abordnungen pilgerten aus dem ganzen Land zum Wohnhaus von Carl Ganahl, um ihm zu danken, Musikkapellen marschierten auf und Chöre brachten ihm Ständchen und die Nachbargemeinde Rankweil schickte eine Abordnung nach Feldkirch. Auf ihrer Fahne stand „Vivat Ganahl“. Sogar seine politischen Gegner aus dem konservativen Lager zollten ihm Respekt. Doch es gab auch viele, die mit Furcht oder gar Abscheu diesen schnaubenden und dampfenden Ungetümen von Lokomotiven gegenüberstanden. So fällt heute noch auf, dass im Walgau die Geleise auf jener Talseite verlaufen, wo sich nur zwei Gemeinden, Nenzing und Frastanz befinden. Die zahlreichen anderen Walgaugemeinden liegen in „sicherer Entfernung“ weit weg von der Bahnlinie und den Bahnhöfen.
Carl Ganahl und die anderen Fabrikanten dachten bei ihrem Engagement für den Eisenbahnbau neben den neuen Möglichkeiten des Personenverkehrs natürlich auch an die leichteren, billigeren und schnelleren Transportmöglichkeiten für Rohstoffe und ihre fertigen Textilprodukte. 1880 gelang es ihm im Parlament in Wien den Bau der Arlbergbahn auf Staatskosten durchzusetzen. Auch hier war der Jubel groß, aber auch die Skepsis: „Was der Herrgott durch einen Berg getrennt hat, soll der Mensch nicht durch ein Loch verbinden.“
Quellen
Volaucnik Christoph: Feldkirch Aktuell/3.2006 „Aus alten Zeiten“
Vorarlberger Volks-Blatt Nr. 54 Bregenz, Freitag den 5. Juli 1872