„Und zu derselben Zeit, in der unser Funke gen Himmel loderte, unsere Fackeln verwirbelten und unsere Hexe in nichts zerstob, flammten in jedem Dorfe, jedem Weiler des Walgaues die Funken empor, und wer von einer Anhöhe, etwa vom lieblichen Mariagrün aus, Umschau hielt, der konnte der Feuer in den Tälern und auf den Höhen nach Hunderten zählen und mußte ob all der wunderbaren Schönheit wohl zu träumen wähnen.“ So beschrieb der in Bludenz gebürtige Volksschriftsteller Josef Wichner in seinem 1893 erschienenem Buch „Im Schneckenhause“ den Funkensonntag im Walgau. Doch warum brennen alljährlich am Sonntag nach Aschermittwoch die Funken und seit wann gibt es diesen Brauch?
Jährlich werden am sogenannten Funken- oder Küachlesonntag kunstvoll um eine Funkentanne gebaute Holzkonstruktionen in Brand gesetzt. Auf der Spitze dieses „Funken“ ist meist eine mit Schießpulver gestopfte Puppe festgebunden, die schließlich zum Gaudeum der Zuschauer mit einem lauten Knall explodiert. Die Frage nach dem Warum bzw. nach dem Sinn dieses Feuerkultes ist nicht eindeutig zu beantworten. Weitverbreitet ist die Meinung, es gehe darum, den Winter auszutreiben. Andererseits markiert der Funkensonntag das Ende der „alten Fasnat“. In der Synode von Benevent im Jahre 1091 wurde der Beginn der Fastenzeit auf den Aschermittwoch vorverlegt. Demnach würde also eher der Fasching ausgetrieben oder in Form einer Faschingshexe in die Luft gejagt. Einem Bericht des Benediktinerkloster Lorsch ist zu entnehmen, dass ein Teil des Klosters durch eine brennende Holzscheibe in Brand gesetzt wurde, die die Burschen am 21. März 1090 geworfen hatten. Auch dieses „Scheibenschlagen“ wird heute noch beispielsweise in Nenzing durchgeführt.
Antike Wurzeln
Es gibt im Alpenraum einen Feuerkult, der noch tiefer in die Vergangenheit zurückreicht. Der „Tratomarzo“ (entrato marzo = Märzanfang) war ein in den Alpen sehr verbreiteter Brauch, der heute noch in einigen Dörfern des Trentinos zelebriert wird. An den letzten beiden Abenden im Februar und dem ersten im März zünden junge Burschen oberhalb des Ortes ein Feuer an. Dann schreien sie ihre Verse Richtung Dorf, von denen jeder einen Vorschlag oder eine Behauptung über die Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau enthält. Am letzten Abend schließlich werden die Paare bekanntgegeben, die sich tatsächlich verlobt haben. In Roncegno im Valsugana hingegen wird viel Lärm gemacht, um das Gras aufzuwecken, da nun langsam das Heu für das Vieh knapp wird. Es geht bei diesen Ritualen also um Fruchtbarkeit von Mensch und Natur und die Erweckung des Frühlings. Vor allem aber begann am 1. März bei den alten Römern das Neue Jahr. Die sechs jungfräulichen Vestallinen, Priesterinnen der Herdgöttin Vesta entzündeten im Rahmen des Neujahrsfestes ein neues heiliges Feuer im Tempel. Dieses wurde mittels Hohlspiegel oder durch Bohren in das Holz eines fruchttragenden Baumes erzeugt und zum Heiligtum gebracht. Das Tempelfeuer musste dann das ganze Jahr über sorgsam gehütet werden, denn wenn das Feuer von selbst erlosch, so glaubte man, bedeute das Unglück. Im Rahmen der Festlichkeiten holten die Menschen nicht nur das neu entfachte Feuer vom Tempel, sondern behingen auch ihre Haustüren mit frischem Lorbeer und beschenkten ihre Liebsten mit Schmuckdosen, Spielwürfel, Medaillen oder Öllämpchen, die mit der Aufschrift: „Annum faustum felicem tibi“ - ein glückliches und erfolgreiches neues Jahr wünschten. Der häusliche Herd war der Göttin Vesta geweiht und an ihm versammelte sich die Familie um zu kochen und zu speisen. Die Göttin sorgte dafür, dass das Familienleben gedieh und Bestand hatte. Jedes Neugeborene wurde um den Herd herumgetragen, um seine Aufnahme in den häuslichen Raum auch religiös zu begründen.
In Lusern, einer deutschen Sprachinsel im südlichen Trentino, steht beim „Vorprennen in martzo“ (Verbrennen im März) am Vorabend des 1. März die Vertreibung des Winters im Vordergrund. Die Zimbern sprechen heute noch einen mittelalterlichen bayuwarischen Dialekt. „Am Kraüz“ oberhalb von Lusern wird ein riesiger Haufen aus Heu, trockenen Ästen und Stroh errichtet. Um 21 Uhr des letzten Tages oder letzten Samstags im Februar wird der Haufen angezündet und erleuchtet die ganze zimbar earde. Bei diesem altüberlieferten Brauch geht es darum, den kalten Teufel des „bintar“, des Winters, auszutreiben. Um das hoch auflodernde Feuer wird getanzt, gesungen und guter zimbrischer Grappa getrunken. Auch kann man sich mit Glühwein, Tee und warmen Speisen aufwärmen.
Weiter nördlich im Südtirol wird in einigen Regionen noch der „Holepfannsunntig“ gefeiert. Das „Hole“ bedeutet niedrig bzw. herunten und die „Pfann“ soviel wie Feuer oder Funke. An diesem Sonntag wurden auf Wiesen und Fluren, vor allem an gut sichtbaren Hügeln die Holepfannfeuer entfacht um die bösen Geister der Finsternis und des Winters auszutreiben. Dabei wurde viel Geschrei und Lärm gemacht.
Der Brauch des Funkenabbrennens wird heute vor allem im schwäbisch alemannischen Raum gepflegt, speziell in Vorarlberg, Liechtenstein, in der Schweiz, im Allgäu und in Oberschwaben. Weiters auch im Tiroler Oberland, Vinschgau, in Ostfrankreich und in der Gegend um Aachen. Auch die Sathmarer Schwaben in Rumänien bauen jedes Jahr ihre Funken.
Der Funken als Kulturerbe
Was nun die Vorarlberger Funken betrifft, so wurde der Funkensonntag von der UNESCO im Jahre 2010 in die Liste für immaterielles Kulturerbe Österreich aufgenommen. Die ältesten Aufzeichnungen in denen die Bezeichnung „Funken“ aufscheint, gehen ins 18. Jahrhundert zurück, davor wurden sie als „Fasnatsfeuer“ bezeichnet. Laut dem Historiker Manfred Tschaikner bestanden sie stets aus einem mit Brennmaterial umschichteten Baum, weshalb sie noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert „Feuerbäume“ oder „Funkenbäume“ genannt wurden. Laut Manfred Tschaikner könnte es sich dabei ursprünglich um Verkörperungen des geschundenen Vegetationsgeists handeln, dessen Tod im Frühjahr in vielen Kulturkreisen als notwendige Vorstufe der Wiedererstehung angesehen wurde. Bekannte mythologische und religiöse Gestalten hierfür sind der getötete und wieder auferstandene Adonis, Attis, Osiris, Dionysos aber auch Christus. In Russland wird heute noch am Ende der Fastenzeit das mehrtägige auf vorchristliche, slawische Tradition zurückgehende Masleniza Fest gefeiert. Es wird zur Verabschiedung des Winters zelebriert. Vor der Christianisierung der Ostslawen wurde es zu Ehren des slawischen Fruchtbarkeitsgottes Veles gefeiert. Das Fest endet mit der feierlichen Verbrennung der Masleniza-Puppe.
Der Ethnologen George James Frazer äußert sich über die Verkörperung des geschundenen Vegetationsgeistes folgendermaßen:
„Der Geist ist, so meint man, alt und schwach geworden und muss daher erneuert werden, indem man ihn tötet und in jüngerer und frischerer Form wieder zum Leben erweckt. So wird die Tötung des Vertreters des Baumgeistes im Frühling als Mittel angesehen, das Wachstum der Vegetation zu fördern.“
In der Edda wird vom Weltenbaum Yggdrasil erzählt, einer immergrünen Esche, die Himmel und Erde zusammenhält. Am Ende der Zeit, in der Götterdämmerung (Ragnarök) fällt sie dem Weltenbrand zum Opfer, um mit einer neuen, besseren Welt wieder aufzuerstehen:
„Schwarz wird die Sonne, die Sonne sinkt ins Meer,
Vom Himmel schwinden die heiteren Sterne,
Glutwirbel umwühlen den allnährenden Weltenbaum,
Die heiße Lohe beleckt den Himmel.
Da seh´ ich auftauchen zum andernmale
Aus dem Wasser die Erde und wieder grünen.
...“
In Bürs gibt es aus dem Jahre 1826 einen Bericht, der die kultische Bedeutung des Funkenbaumes hervorhebt. Ein Bürser Chronist erinnert sich, wie in seiner Kindheit ein großer Baum mit vier Pferden aus dem Wald geholt wurde, um die Basis des Funkens zu bilden. Begleitet wurde der Transport mit Trommeln und Schwegelpfeifen, das sind Querflöten aus Schienbeinknochen.
Schamanistische Praktiken am Bürserberg
Das Feuer, Symbol der Reinigung und des Neuanfangs, kann bei intensiver Betrachtung der lodernden Flammen auch eine Art Trancezustand auslösen. Nach heidnischer Auffassung wird dadurch auch ein magisch schamanistischer Blick in die Anderswelt (Jenseits) möglich. Erstaunlich ist, wie lange sich solche Praktiken in unserer seit fast eineinhalb Jahrtausenden christlichen Region erhalten haben. In obrigkeitlichen Aufzeichnungen ist davon leider nur wenig zu finden. Der Historiker Manfred Tschaikner ist jedoch auf ein wichtiges Zeugnis – dasjenige über das Wirken der begehrten Wahrsagerin Wyprat Wustin vom Bürserberg gestoßen. Ende 1525, als die Obrigkeit den damaligen Bauernkrieg weitgehend für sich entschieden hatte, wurde ihre Tätigkeit aktenkundig. Die Wahrsagerin prophezeite trotz der aussichtslosen Lage einen Sieg der Bauern. Vor Gericht stand Wyprat Wustin nicht wegen Zauberei oder Wahrsagerei, sondern weil die Obrigkeit befürchtete, dass die Bauern durch ihre Aussage Mut schöpfen und den Widerstand erneut aufnehmen könnten. Nach der Verhaftung wurde die Wustin vom Bludenzer Vogteiverweser über ihre Praktiken befragt. Wyprat Wustin führte ihre Fähigkeit auf Frau Selga und Frau Venus zurück. Frau Selga und ihr Volk waren identisch mit den „selga Frauen“ oder den „saligen Fräulein“, die heute noch in regionalen Sagen als „Nachtvolk“ umhergeistern und schöne, sphärische Klänge verbreiten und als gütige Wesen angesehen wurden. Frau Selga ist entspricht mit der Perchta oder Holda. Sie waren Seelenführerinnen und die Seelen hat man sich ursprünglich in Kindergestalt vorgestellt. Frau Holt (Holda, Holle, oder Selga), so ist noch in manchen Sagen nachzulesen, sitze im Venusberg (Totenberg) bei einem Kessel, der über einem Feuer hängt. Die Wahrsagerin erklärte der Obrigkeit bei der Einvernahme: In den Fronfasten mache das „volckh“ der Frau Selga „ein Ding an wie ein Kessel, es sei aber kein Kessel, sondern ein Feuer, da hinein werfe man diejenigen, die in diesem Jahr in ihrem Kirchspiel (Pfarre) sterben sollen und die sehe sie also hineinwerfen, als ob sie leibhaftig da wären“. Diese Treffen fanden ähnlich den späteren Hexensabatten an entrückten Orten um ein Feuer statt. Dorthin fuhr Wyprat Wustin zu den Fronfasten, also den vier Quatemberzeiten am Mittwoch, Freitag und Samstag in der ersten Woche der Fastenzeit. Weiters in der Pfingstwoche, in der dritten Woche des Septembers und des Advents. Die zuständige Innsbrucker Behörde ließ Wyprat Wustin schließlich ungestraft weil alles der Phantasie der Wahrsagerin entsprungen sei. Sie solle sich aber in Zukunft nicht mehr mit solchen Dingen beschäftigen. Sie hatte damals Glück, denn schon bald sollte sich die Haltung der Obrigkeit zur Zauberei wandeln, die in ihr zunehmend den Ausdruck eines Teufelsbündnisses und Abfall von Gott sah. So wurde die Hexe zur Ketzerin. Schon 1528 stand Elsa Guotschalkin aus Latz bei Nenzing als Hexe vor Gericht, wurde aber freigesprochen doch ab Mitte des 16. Jahrhunderts loderten die ersten Scheiterhaufen im Land vor dem Arlberg. Europaweit erlitten Abertausende von Frauen, teilweise auch Männer den grausamen Tod in den Flammen. Als Gnadenakt wurden sie gelegentlich vorher enthauptet, wurden vor dem Verbrennen vom Scharfrichter auf dem Scheiterhaufen erdrosselt oder bekamen einen Sack Pulver um den Hals gehängt. Auch in heutiger Zeit sieht man auf der Spitze des brennenden Funken eine Frauenfigur, die Feuer fängt bis schließlich das Pulver mit lautem Knall explodiert. Der vermeintlich alte Brauch, eine Hexenpuppe auf dem Funken zu verbrennen, ist allerdings erst im 19. Jahrhundert entstanden.
Braucht es eine „Hexe“ auf dem Funken?
„Und siehe – da wurde es endlich der Hexe auf ihrem goldigen Feuerthrone ungemütlich! Schon beleckte die gierige Flamme ihre Füße, schon verzehrte die unersättliche ihr Lumpengewand, schon lüsterte sie nach den schwarzen Gedanken in ihrer Brust – da fuhr die Hexe wie in alter Zeit, da solche Unholdinnen auf den Blocksberg ritten, mit einem entsetzlichem Krach in die Luft, Funken und glimmende Fetzen flogen nach allen Richtungen wirr durcheinander, und der Besen fiel unter die lachende, jubelnde Menge und wurde von dem glücklichen Finder gleich einem kostbaren Schatz nach Hause getragen.“
So beschrieb der Heimatdichter Josef Wichner in seinem autobiographischen Buch „Im Schneckenhause“ eindrücklich die Explosion der Funkenhexe und so ähnlich erleben es noch die heutigen Zuschauer des Funkens. Die Frage, ob es notwendig ist, Frauenfiguren als Hexen auf dem Funken zu verbrennen, wird oft bejaht, mit dem Hinweis, dass es sich um einen „alten Brauch“ handelt. Allerdings wurde es ja erst im 19. Jahrhundert üblich, solche „Hexen“ auf den Funken zu binden. In der frühen Neuzeit wurden viele Frauen unschuldig gefoltert und als Unholdinnen oder Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt, um das „Böse“ auszurotten. Ist es wirklich noch zeitgemäß, das „Böse“ oder den Winterdämonen in anschaulicher Form, nämlich in Gestalt einer menschenähnlichen Puppe vernichtet zu sehen?
Scheibenschlagen, Fackelschwingen und Feuerräder
Neben dem Funken wurde im Jahr 2016 auch das Scheibenschlagen in das Österreichische Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Heute findet es noch am Funkensonntag in Nenzing und Beschling, aber auch in Gortipol und Lustenau statt. Wie bereits erwähnt, gibt es einen Bericht aus dem Benediktinerkloster Lorsch aus dem Jahre 1090 über das Scheibenschießen. Es ist aber anzunehmen, das der Brauch viel älter ist, da in Urkunden solche Kulte normalerweise nicht erwähnt werden. In Lorsch wurde das Scheibenschießen nur erwähnt, weil dadurch das Kloster in Brand gesetzt wurde. Möglicherweise geht die Bezeichnung „Funken“ auf die rasch verglühenden Scheiben zurück und nicht auf die himmelstrebenden Feuer, da ein Funke ja nur ein kurzes Aufblitzen ist. Bei uns im Walgau wird das Scheibenschlagen von den Funkenzünften Beschling und Nenzing gepflegt. In den beiden Gemeinden sieht man heute noch leuchtende Scheiben am Nachthimmel aufblitzen, die wie ein Komet mit glühendem Schweif einen weiten Bogen durch die Dunkelheit ziehen, um schließlich wie eine Sternschnuppe zu erlöschen. Diese etwa handtellergroße Scheibe wird aus frischem Birken- oder Buchenholz gefertigt. In der Mitte hat sie ein kleines Loch, denn nach dem Anglühen im offenen Feuer wird sie auf die Spitze eines Haselnussstecken gesteckt. Schließlich wird das leuchtende Objekt vom Schläger über eine hölzerne Abschussrampe „abgefeuert“. Über 200 Meter soll so ein glühendes Geschoss in Beschling einmal über den Hügel hinunter geflogen sein. In Nenzing dagegen befindet sich der Funken nicht mehr auf der Anhöhe und so werden die Scheiben direkt in den brennenden Funken geschlagen. Doch nicht nur das eindrückliche Spektakel der glühenden Scheiben gilt es zu bewundern, sondern es werden auch jene Damen und Herren ausgerufen, die frisch verheiratet sind, sich über das Jahr kennengelernt haben oder schon seit einiger Zeit ein Liebespaar sind. Nicht zu übersehen sind hierbei die Parallelen zum Tratomarzo im Trentino. Ähnlich wie in den südlichen Alpen können auch hier Späßchen gemacht werden, meistens auf Kosten derjenigen, die noch nicht den richtigen Partner gefunden haben. Mit „Tschibee, Tschibee, wer soll das Tschiberium sein“ wird ein Paar aufgerufen und ein Sprüchlein aufgesagt. Nach dem Spruch „Got‘s net, so gilt‘s net. Schieba, ho‘“ wird die glühende Holzscheibe in den Nachthimmel geschossen. In Nenzing gilt es als schlechtes Omen für den gemeinsamen Lebensweg des Paares, wenn die Scheibe den Funken verfehlt, während in Beschling auf die Flugbahn geachtet wird: Je schöner und weiter die Scheibe fliegt, desto mehr Glück bedeutet es für die Verliebten. Nicht selten bekommt der Schläger als Dankeschön für eine besonders spektakuläre Flugbahn ein Getränk von dem glücklichen Paar spendiert.
In Bürs wird findet zwar kein Scheibenschießen statt, doch herrschte dort früher der Brauch, dass ein Liebespaar, welches sich in der Fasnat kennengelernt hatte, sich Arm in Arm beim Funken zeigen musste. Dazu gibt es Inschriften auf einer Bürser Besonderheit, den Pumas. Das sind riesige Lampions von runder oder rechteckiger Form, die auf Stangen getragen werden und ein Gewicht von bis zu 13 Kilogramm haben. Auf einem dieser Pumas steht: „ FEUERFLAMMEN brennen nicht so heiß wie heimliche LIEBE von der niemand weiß“ und auf einem anderen: „DEN SCHATZ AM ARM VON LIEBE UMGARNT SCHREITET DER BURSCH ZUM BRENNENDEN BUSCH“. Das Mädchen lud dann den Freund zu den traditionellen „Funkaküachle“ in ihr Elternhaus ein. Haben sie ihr Verhältnis aber verheimlicht, so zog man am 1. Mai eine Sägemehlstraße vom Haus des Burschen bis zum Haus des Mädchens, was von dem Paar als Schande empfunden wurde.
Im benachbartem Montafon findet das Scheibenschießen nur noch in Gortipol statt. Die abgeschossene Scheibe wird dort jemandem gewidmet, wie es heute auch noch im rätoromanischem Graubünden der Fall ist. Dort ruft man beispielsweise: „Oh, tgai biala schibetta per la Maria“ was soviel heißt wie: Oh, was für eine schöne Scheibe für die Maria. In Vandans berichtet eine alte Sage, dass einer einmal die Keckheit besaß, die Scheibe dem Teufel zu widmen. „Alsbald kam drunten aus dem Stall ein feuriges Schwein und lief mit einer Scheibe davon.“
Bei den Vorarlberger Funken ist auch das Fackelschwingen weitverbreitet. In Bürs sind früher hoch über dem Dorf Fackelschwinger auf Firngleitern in weiten Bogen die steilen Wiesen über die Zalummäder herabgefahren. Mittlerweile wurde alles bis auf einen kleinen Rest aufgeforstet. Die Fackelschwinger stehen nun am Funkensonntag Abend auf der jetzt klein gewordenen Wiese und malen mit ihren brennenden Utensilien glühende Kreise in die Dunkelheit. Im benachbartem Montafon werden sogar riesige Fackelräder in Handarbeit gebaut, das größte davon mit einem Durchmesser von 17 Metern ist in Tschagguns zu bewundern. Im Tirol und außerhalb Österreichs in Deutschland und der Schweiz wird am Faschingsdienstag oder am ersten Fastensonntag (unser Funkensonntag) ein Feuerrad über einen Berg oder Hügel hinuntergerollt. Dazu wird ein mannshohes Rad mit Stroh an den Seiten gestopft. Mit diesem Brauch soll der Winter vertrieben und die Fruchtbarkeit der Felder erbeten werden. In der dreibändigen Deutschen Mythologie von Jakob Grimm wird der Ablauf dieses Brauches in Franken folgendermaßen beschrieben:
„Sie flechten ein Wagenrad voller Stroh, tragen es auf einen hohen (…) Berg, haben darauf, so sie vor Kälte mögen bleiben, den ganzen Tag ein guten Mut, mit vielerlei Kurzweil, singen, springen, tanzen (…). Um die Vesperzeit zünden sie das Rad an und lassen es mit vollem Lauf in das Tal laufen. Das gleich an zu sehen ist, als ob die Sonne von dem Himmel lief“.
Die glühenden Scheiben, die kreisenden Fackeln und die Feuerräder sind allesamt Sonnensymbole. Bei den Kelten wurde die Sonne meist als Rad dargestellt, aber auch als Scheibe. Die keltischen Handwerker konnten bereits technisch sehr hochstehende Räder erzeugen. Neben den profanen Wägen für den Warentransport schufen sie auch religiöse Kultwägen, die wahrscheinlich Abbilder des Fahrzeugs des Himmelsgottes Taranis waren. Im Naturhistorischen Museum in Wien lässt sich die beeindruckende Rekonstruktion eines solcherart perfektionierten Rades durch Knopfdruck ins Rollen bringen. Die Speichen sind so präzise mit Bronzestreifen beschlagen, dass dabei der optische Eindruck einer goldenen, leicht gewölbten Scheibe entsteht, auf der eine Spirale pulsierend mitläuft. Diese leuchtende Scheibe stellt die Sonne auf ihrer Fahrt durch den Himmel dar, ebenso wie die Scheiben, die in Nenzing und Beschling in den Nachthimmel geschlagen werden und auch wie die Fackeln und Feuerräder. Den Kult mit den brennenden Rädern praktizierten schon die Kelten, wie in der Vita des Heiligen Vincent von Agen nachzulesen ist. Dort wird gerügt, dass sich die „gottlose Menge der Heiden“ um einen Tempel versammelte, aus dessen Pforte in regelmäßigen Abständen, wie auf Kommando eines Dämons, ein brennendes Rad hervorkam, eine Schlucht bis zum Fluss hinunterrollte, um funkensprühend zurückzukehren.
Im Appenzell wurden früher die Fasnatsfeuer mit einem sogenannten „Notfeuer“ in Brand gesteckt. Bei diesem handelt es sich um ein frisch, auf archaische Art durch Reibung entfachtes Feuer, dem besondere Kraft und Reinheit zugesprochen wurde gleich jenem im Vestatempel, das auf ähnliche Art erzeugt wurde. In dem Ostschweizer Kanton steckten zwei Burschen einen Holzstab in das Loch im Mittelpunkt eines Wagenrades. Mittels einer um den Stab gewickelten Schnur brachten sie diesen in schnelle Umdrehungen, bis das Holz zu glühen begann. So wurde das Notfeuer, mit dem schließlich der Fasnatsfunken angezündet wurde, in einem Sonnensymbol erzeugt. Robert von Ranke-Graves schreibt in seinem Werk „Griechische Mythologie über die griechische Göttin Hestia, die weitgehend der römischen Vesta entspricht: „Ihr Feuer ist heilig: Wenn je ein Herd, sei es durch Zufall oder als Zeichen der Trauer, verlöschen sollte, wird er mit Hilfe eines Feuerrades neu angezündet.“
Der „Küachlesunntig“
In Richard Beitls Buch „Im Sagenwald“ trägt eine Sage den Titel „Wie der Küechlisonntag entstand“. Darin erfährt man, wie die Bauern bewaffnet mit Sensen und Gabeln, Äxten und anderen bäuerlichen Gerätschaften in die unverteidigten Burgen der Zwingherren drangen und diese in Brand setzten: „Die Weiber waren über diese Tat so erfreut, dass sie den Männern Kuchen buken. Zur Erinnerung an jenes Ereignis werden jedes Jahr am ersten Sonntag in der Fastenzeit Küechli gebacken und auf den Höhen brennen die Funken“. Der wahre Kern der Sage erinnert an die im Jahre 1405 ausgebrochenen Appenzellerkrieg, ein Bauernaufstand, der sich auch auf unser Land ausbreitete. Wegen der Ähnlichkeit brennender Burgen mit den Funken wurde der Funkensonntag als vermeintliches Erinnerungsritual an den Burgenbrand in die Sage aufgenommen und dann durften auch die Küachle nicht fehlen.
„Im Sagenwald“ ist aber noch eine etwas ältere Sage zu finden, die einen Küchlesunntig in Feldkirch beschreibt. „Der gute Graf“, so der Titel der Geschichte, berichtet über ein Straßenfest mit kunterbuntem Treiben, dass Rudolf V., der letzte und beliebteste Graf von Feldkirch in der Neustadt veranstaltete. Dieser Graf überreichte im Jahre 1376 auch den „Freiheitsbrief“ und entließ somit die Feldkircher Bürger aus der Leibeigenschaft und ermöglichte ihnen eine weitgehend selbständige Stadtverwaltung. Da er keinen „Stammhalter“ hatte, verkaufte er seine Grafschaft samt der Stadt an die Habsburger. Der Österreichische Adel sollte nach seinem Tod Stadt und Land in Besitz nehmen. Die Sage erzählt wie bereits erwähnt von einem Straßenfest an der alten Fasnat, dem heutigen Funken- oder Küachlesunntig, welches in der Neustadt stattgefunden hatte. Oftmals habe er an die tausend Buben zu Spiel und Kurzweil versammelt. Diese „lud er aus seiner ganzen Herrschaft als seine lieben Gäste in die Stadt, und sie zogen mit hölzernen Wehren, Butzen, Fähnlein und Spielhüten gleich Kriegsknechten auf, um ihre künftigen Heldengemüter zu erzeigen. Um den Brunnen waren Könelin (hölzerne Rinnen) aufgestellt, wie man den Schafen Geläck (zum Auflecken) zu machen pflegt, voll von saftigen Hirschbraten, der in etlichen Som Milch gekocht worden.“ Es war natürlich auch im Mittelalter nicht üblich, den Hirschbraten in kochender Milch zu ertränken. Hierbei handelt es sich um ein Übersetzungsfehler aus alten Chroniken, denn diese Sage beruht auf schriftlichen Überlieferungen. In der berühmten Cosmographia des Sebastian Münster (1488 - 1552) heißt es: „Also hat man diesen Hirß zum jüngsten im jar 1539 gegeben.“ Der Brauch hat also den Grafen lange überlebt. Bei dem Hirß handelte es sich aber um keinen Geweihträger, sondern um Hirse, ein früher sehr beliebtes Getreide, welches nach dem Bericht von Sebastian Münster in 13 großen Kesseln gekocht wurde. Dazu benötigte man beinahe 3 Som (Saum) Milch. Ein Som oder Saum war die Menge an Flüssigkeit, die man einem Lasttier wie Pferd, Maultier oder Esel als Bürde zugemutet hatte, um sie über die Saumpfade der Alpenpässe zu „säumen“. Ein Som entsprach in unseren Regionen etwa 150 Litern. Wenn die einfachen Leute ein Festessen unter eintönigen Brei- und Grützennahrung suchten, so wählten sie den Hirsebrei als Leckerei. Dieses fruchtbare Getreide, reich an Vitaminen und wichtigen Nährstoffen, wurde also in großen Mengen den Kindern geschenkt, auf dass das Jahr fruchtbar werde und es das ganze Jahr hindurch nicht an Nahrung mangle. Glaubt man den Etymologen, so hat das Wort Hirse den selben indogermanischen Stamm wie der Name der römischen Göttin der Fruchtbarkeit und des Ackerbaus – Ceres. Aber um nicht länger um den heißen Hirsebrei zu reden, wird jetzt die eigentliche Verbindung mit dem heutigen Küachlesunntig hergestellt. Die Sage erzählt weiter:
„Dessen (des Hirsebreis) erhielten die Buben genug und noch überdies jeglicher ein Butschellen Brot zu Sold.“ Solche Butschellen waren für die Kinder natürlich der Höhepunkt, denn sie wurden aus dem damals überaus seltenen und teuren Weizen, der importiert werden musste, hergestellt. Die Buben am Land bekamen sonst nur Schwarzbrot aus Roggen. Die Butschellen hingegen waren wie eine Art feiner Eierzopf, nur eben in runder Fladenform, innen schneeweiß und außen goldgelb, wie die Sonnenscheibe. Die Bezeichnung Butschelle geht auf das lateinische buccella zurück, was soviel wie Bäckchen bedeutet. Ein Bäckchen voll ist ein kleiner Bissen. Heute werden noch im rätoromanischen Graubünden zu bestimmten Feiertagen die Bütschella gebacken. Aber auch am 1. März, dem Chalandamarz (Kalenden des März), der dem Tratomarzo im Trentino entspricht, wird das feine Gebäck mit Rosinen den Kindern zum krönenden Abschluss ihres Umzuges serviert. Dabei ziehen die Kinder mit großen Schellen durch die Straßen und Gassen des Dorfes und machen einen Riesenlärm um den Winter zu vertreiben. Nebenbei versuchen sie Lebensmittel und Geld zu heischen. In manchen Orten wird auch ein Strohmann als Symbol des Winters verbrannt.
Josef Wichner beschreibt als beliebtestes Funkengebäck die „weinbeerreichen Hepfküchlein (Hefeküchlein), deren Sauerteig in der Ofenwärme die größte Schüssel füllte und die sich in der Pfanne gleich den Wangen der pfeifenblasenden Buben blähten“. Und weiter unten heißt es: „An diesem Tage aß alles Küchlein, vom Bischof bis zum Bettler, und so wahr ich lebe, sie schmeckten allen gleich gut.“
Der Funken Sonntag – heidnischer Kult oder Megaevent mit Rekordfunken?
„Die Gelehrten, die alles wissen, behaupten sogar, dass wir das Fest der Frühlingssonnenwende von den alten Heiden geerbt hätten und also noch einen gewissen Götzen Donar verehren täten, aber das kümmerte uns blutwenig. Wir hatten von Götzendienst und Heidentum keine blasse Ahnung, wir freuten uns gar nicht wissenschaftlich, sondern wir gehorchten blindlings jenem Triebe, der die Kinder im Frühling mit Schussern (Murmeln) spielen heißt, im Herbste aber mit Drachen, ohne dass im Kalender die Schusserntage oder die Drachentage besonders vermerkt wären.“ So beschreibt Josef Wichner seinen kindlichen Zugang zum Funkenbrauch und der Großteil des heutigen Publikums wird sich wahrscheinlich keine tiefschürfendere Gedanken über die Herkunft des Spektakels machen oder gar Bescheid wissen. Tatsache ist, dass das Funkenbrauchtum erst seit Ende des 19. Jahrhundert nach und nach ein organisiertes Ereignis wurde und es kam zur Gründung der ersten Funkenzünfte. Davor wurde das anarchische und womöglich heidnische Treiben von der Obrigkeit und der Kirche nicht gern gesehen und so wie die Fasnat als Ganzes auch immer wieder verboten. So scheint auch der Bludenzer Vogt Schrenck von Nozing kein großer Freund des Vergnügens und der Lustbarkeiten, insbesondere des Tanzes, gewesen zu sein. Wie fast in jedem Jahr erging auch am 24. Dezember 1677 ein Mandat an Bürgermeister und Rat von Bludenz, in welchem es hieß:
„alles und jeden Saiten- und andern Spills, sowohl auch das Tanzen und Springen: alß übrigen bis anhero villfeltig verspürter üppigkhaiten, insonderhait auch das nächtliche unnathierlich: und unmenschlichen schreyen und Jolens, in Summa all das Jenige, wordurch die göttliche Mayestät alß gerechter Gott zum Zorn bewegt werden und alßdann einem ganzen Landt ein straff auf den Halß schiekhen möchte, ist gänzlich eingestellt und verboten“.
Aus den Jahren 1606 und 1610 finden sich Verbote und Strafen des Scheibenschlagens wegen Feuergefahr. Auch im Zeitalter der Aufklärung im 18. Jahrhundert sind mehrere Verbote von Bräuchen überliefert. Am 3. Jänner 1795 wurde durch das Vogteiamt Bludenz unter anderem das „Funkenschlagen“ untersagt, da „diese alten Unfüge, die schon durch ihren Namen als unschicksame, einem gesitteten Volke nicht zustehende Gebräuche bekannt sind, wieder aufzuleben anfangen und hie und da geübt werden wollen“. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde schließlich immer mehr die kultisch heidnische Bedeutung der Funkensonntagsbräuche in Betracht gezogen. Im Sinne des damals aufkommenden Nationalismus wurde vor allem das germanische Erbe hervorgehoben.
Der 1852 geborene Josef Wichner erinnert sich, wie in seiner Kindheit in Bludenz die Kirche am Aschermittwoch ihre warnende Stimme erhob und die Abkehr von allem irdischem Tand forderte und gesegnete Asche auf die Häupter der Kirchgänger streute, auf dass es ihres Ursprungs und Endes gedenken sollte. „Das Volk aber“ so schrieb er, „wollte der Lustbarkeit nicht allsogleich entsagen, und während die Burschen am Aschermittwoch in kläglichem Aufzuge und mit trauriger Gebärde die Fastnacht, eine in Lumpen gehüllte Strohpuppe, in die Erde vergruben und den Platz mit einem leeren, lochreichen Geldbeutel an einem eingesteckten Stabe bezeichneten, regt sich bereits in jung und alt das Verlangen, dem allgewaltigem Lichte, das von Tag zu Tag sieghafter vordrang, das uralte Brandopfer zu bringen, den Funkenbaum zu errichten, die Fackeln zu wirbeln und das auflodernde Sinnbild der Frühlingszeit, der Sonnenzeit, jubelnd zu umtanzen. (…) je vier bis fünf Knaben taten sich zu einer Rotte zusammen, zogen, ohne lange zu fragen, aus dem nächsten Stalle den nächstbesten Schlitten und und wanderten nun gar fröhlich von Haus zu Haus, überall milde Gaben heischend für den Frühlingsbrand, Holz und Stroh, Hanfstengel und alte Fetzen und alles, was irgendwie die Fähigkeit besaß, aufzulodern oder wenigstens mit Gestank zu glimmen, und unser Lied lautete also:
Holz, Holz
Sind wir stolz!
Stroh, Stroh,
Sind wir froh!
Stengel, Stengel,
Sind wir Engel!
Scheiter, Scheiter,
Geh`n wir weiter!
Lumpen, Lumpen,
Zu der Hex`!“
Die Jünglinge, die für die Errichtung und Umkleidung des Baumes zuständig waren, baten wie jedes Jahr den Bürgermeister um die Funkentanne. Nachdem dieser wie alljährlich „über den dummen Brauch und die nutzlose Vertuerei“ schimpfte, „hatte er – zum allerletzten Male – gestattet, es dürfen sich die Jünglinge eine passende Tanne im Gemeindewalde aussuchen und – wohl gemerkt – auf eigene Kosten fällen und ins Feld ziehen.“ Schließlich hat der Bürgermeister die Rechnung für das Fällen und Überführen der Tanne dann doch bezahlt „nach uraltem Brauche zum allerletzten Male“.
Um 1893 wurde schließlich die Bludenzer Funkenzunft gegründet. Nach dem Ersten Weltkrieg ließ der Brauch des Funkenabbrennens stark nach, ja wurde sogar wegen Holzmangels für einige Jahre verboten. Im austrofaschistischem Ständestaat zwischen 1933 und 1938 wurde mit mäßigem Erfolg versucht, den Funken propagandistisch zur Förderung einer „Österreich-Ideologie“ einzusetzen. Nach dem Anschluss an das Deutsche Reich 1938 und durch die Aufhebung der Tausendmarksperre trat vor allem der touristische Aspekt in den Vordergrund. Für die nationalsozialistische Propaganda eigneten sich jedoch die Sonnwendfeuer wesentlich besser. Der Funken schien wegen seines „stammlich“ begründeten Regionalismus kein guter Ausdruck von nationaler Stärke und Geschlossenheit.
Aber nach dem Zweiten Weltkrieg brannten trotz Brennstoffmangels wieder zahllose Funken, die mehr denn je zum genuinen Vorarlberger Landesbrauch wurden. Nach den Gräueln des Krieges bedurften die Menschen mehr denn je der als reinigende Kraft empfundenen Wirkung des Feuers.
Der Funken wirkte verbindend und half bei der Identitätsbildung der Vorarlberger Bevölkerung nach der wiedererreichten Selbständigkeit des Landes. Jetzt erst wurden mehr und mehr Funkenzünfte gegründet und die Funkentürme wurden immer höher und kunstvoller gebaut. Der Größenwahn ist in manchen Gemeinden schon so weit fortgeschritten, dass im Norden des Landes ein Funken gebaut wurde, der an Höhe den dortigen Kirchturm übertraf. Auch werden die wohltuenden Eigenschaften des Feuers auf das Gemüt der Zuschauer durch die schädlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung der rauchenden Feuergiganten in den Schatten gestellt. Die gewaltigen Feuertürme erwärmen wohl weniger die Herzen des Publikums als vielmehr das Treibhausklima. Durch die Kommerzialisierung kamen auch immer mehr kunstvoll lärmende Feuerwerke ins Spiel. Vermag der Krach auch keine Winterdämonen zu vertreiben, so erschreckt und vertreibt er doch die Tiere in Wald und Feld. Ein alter Brauch soll als Weltkulturerbe erhalten bleiben, keine Frage. Doch die moderne Rekordsucht des Größer und Höher entfernt sich immer mehr von den bescheidenen Ursprüngen, wo das Ritual im Vordergrund stand und nicht das Spektakel. Dass es auch kleiner geht, sah man am Funkensonntag 2021, als im Rahmen der Maßnahmen gegen das Coronavirus die Veranstaltungen abgesagt wurden. In vielen Vorarlberger Vorgärten brannten kleine Funken und in manch einer Küche bruzelten ganz bestimmt auch die Küechle auf dem Herd.
Quellen
Beitl Richard „Im Sagenwald“ Franz Michael Felder Verein Reprint 1982
Bludenz Geschichtsblätter 113, 2016, Thomas Gamon, Michael Kasper „Schieba, Schieba öberie, wem soll denn dia Schieba sie?“
Botheroyd Sylvia und Paul F. „Lexikon der keltischen Mythologie“ Eugen Diederichs Verlag München 1995
Dal Lago Veneri Brunamaria „Trentino – Ein kurioser Reiseführer“ Edition Raetia 2014
Funkenzunft Bludenz
Grimm Jakob „Deutsche Mythologie“ 1835, Edition Offizin, Koblenzer
Münster Sebastian „Cosmographia“ Band II, Edition Offizin 2010, Faksimile Druck nach der Ausgabe von 1628, bei Heinrich Petri in Basel erschienen
„Neue Vorarlberger Tageszeitung“ 15 Februar 2013 „Tschibee! Tschibee! Wer soll das Tschiberium sein“?
„Trentino Emigrazione“ Nr. 32, März 2005
Tschaikner Manfred, „Der Bludenzer“ 8. März 1996, Auszüge aus einem Vortrag
Tschaikner Manfred „Magie und Hexerei im südlichen Vorarlberg zu Beginn der Neuzeit“, Universitätsverlag Konstanz GmbH 1997
Wichner Josef „Im Schneckenhause“ aus dem Jahre 1893, Kommissionsverlag H. Lingenhöle & Co., Bregenz 1985
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